Mit dem Beginn der Wandervogelbewegung um 1890 wurde das Spielen der Mandoline in Deutschland vielerorts wieder entdeckt. Ausgangspunkt dieser Bewegung war die zunehmende Industrialisierung und Verstädterung, wogegen die jungen Leute opponierten. Den neuen Lebensstil suchten die Wandervögel im Kontakt mit der Natur, die sie singend und musizierend durchwanderten. In erster Linie sangen sie Wander- und Volkslieder, die sie mit Zupfinstrumenten wie Laute, Gitarre und Mandoline begleiteten.
Im Verlauf dieser Entwicklung etablierten sich in ganz Deutschland viele Mandolinen - Gitarrengruppen und Vereine. Eine solche Spielgruppe aus Westfalen zog Anfang der 20er Jahre auch durch Treis. Begeistert von der Musik fassten einige Jugendliche den Entschluss, das Mandolinen- und Gitarrenspiel zu erlernen. Der Anfang war für die jungen Leute im Alter zwischen 15 und 18 Jahren nicht leicht. Es war schwer, die Instrumente zu beschaffen. Es fehlte Geld, um sie zu kaufen, und geeignete Musiklehrer gab es auch nicht. Mit Idealismus und dem Willen zum Musizieren überwanden die Jugendlichen die Schwierigkeiten und begannen im Selbstunterricht, Noten und Instrument zu erlernen.
Schließlich gründeten 1925 sechs Männer den Mandolinenverein Treis:
Den Vorsitz übernahm Heinrich Wilhelm Kehr. Die Musik war zeitgemäß der Jugendbewegung angepasst, und wo man auftrat, hatte man Erfolg. Als 1. Dirigent wurde Ludwig Becker verpflichtet. Aufgrund der politischen Entwicklungen musste die Vereinstätigkeit 1933 eingeschränkt werden. Mit Beginn des 2. Weltkrieges kam sie schließlich zum Erliegen. Nur noch gelegentlich trafen sich die Mitglieder zu Hause, um ihre Musik zu pflegen.
Bei Kriegsende erschienen alle Hoffnungen auf eine weitere Vereinstätigkeit zunächst aussichtslos. Die Gründer der 20er Jahre wollten jedoch das, was mühsam und fleißig erarbeitet worden war, nicht untergehen lassen. Die Liebe zur Zupfmusik beflügelte sie, und so wurde unter dem Vorsitzenden Ludwig Rabenau die Vereinsarbeit 1947 wieder aufgenommen. Dirigent wurde Willi Schmulbach.
Im gleichen Jahr (16.11.1947) konnte der Mandolinenverein Treis mit Genehmigung der damaligen Militärregierung sein erstes Konzert nach dem 2. Weltkrieg im Saal der hiesigen Gaststätte Heinrich Will abhalten. Neue Spieler kamen hinzu, und so entschloss man sich, das Lokal Karl Amend als Vereinslokal 1948 zu beziehen. Die Übungsstunden waren zuvor in Privathäusern abgehalten worden.
1949 wurde Günter Lux zum Vorsitzenden gewählt. Er blieb es bis 1954. 1951 übergab Willi Schmulbach den Dirigentenstab an Georg Speier, der ihn nach weiteren zwei Jahren an Otto Blaschke weitergab. Anlässlich seines 25jährigen Jubiläums veranstaltete der Mandolinenverein Treis am 29.10.1950 einen Konzert- und Theaterabend. Laienspieltheaterabende waren in dieser Zeit gefragt, und so fanden sich nicht selten die Treiser Zupfmusiker als Theaterspieler auf der Bühne wieder. In den frühen 50er Jahren gehörte es außerdem zur Dorftradition, dass die Treiser Mandolinenspieler am Morgen des 1. Mai auf verschiedenen Plätzen in Treis musizierten. 1951 waren sie erstmals im Radio zu hören. Anlass war eine Aufnahme des Hessischen Rundfunks von einem Erntedankfest, bei dem die Treiser Vereine mitwirkten. 3 Jahre später strahlte der Hessische Rundfunk unter dem Motto "So singt´s und klingt´s in Oberhessen" eine weitere Aufnahme des Mandolinenvereins Treis aus. Richard Muhl löste 1955 Günter Lux als Vorsitzenden ab, danach übernahm 1956 Franz Klimt dieses Amt für neun Jahre. 1957 brachte der Mandolinenverein Treis dem damaligen hessischen Ministerpräsidenten Dr. August Zinn ein Geburtstagsständchen. Es war das Geschenk des damaligen Treiser Bürgermeisters Karl Nuhn an seinen Parteifreund.
Am 12.2.1961 spielte das Orchester zur Einweihung der neuen Treiser Grundschule. Erwähnenswert ist außerdem die Beteiligung an einem Mandolinenwettstreit in Wiebelsbach (Odenw.) im Jahre 1963, bei dem die Spieler einen der vorderen Plätze belegten.
Musikalisch nahm das Orchester einen weiteren Aufschwung, als Rudolf Eberl 1965 den Dirigentenstab übernahm. 1965 konnte der Verein sein 40jähriges Bestehen mit einem großen Konzert feiern, bei dem auch die Gründer geehrt wurden.
Ab 1966 hatte Heimo Gürtler den Vorsitz inne. In seiner Amtszeit bildeten die aktiven Mitglieder viele Schüler aus, doch leider sind dem Orchester nur wenige erhalten geblieben. 1973 wurde die Gaststätte "Zum Bahnhof" bis heute zum Vereinslokal.
Der langjährige Musikleiter und 2. Vorsitzende Erich Klein wurde 1975 erster Vorsitzender und behielt dieses Amt bei einer zweijährigen Unterbrechung bis 1998 inne. Im Jahre 1975 feierte der Verein sein 50jähriges Jubiläum, das als bislang größte Veranstaltung in die Vereinsgeschichte einging. Im gleichen Jahr wurde das Orchester Mitglied im Bund Deutscher Zupfmusiker. Den sich untergliedernden Landesverbänden des Bundes obliegt u.a. die Fortbildung von Instrumentalsolisten, Orchesterleitern, Vereinsvorständen etc. Einzelne Landesverbände, so auch der Hessische, unterhalten eigene Landesverbandsorchester. Hier werden Zupfmusiker aus Vereinsorchestern spieltechnisch gefördert, außerdem wird Musikliteratur aus verschiedenen Stil- und Zeitepochen vermittelt. Ab 1976 gehörten zeitweise bis zu 10 Spieler des Mandolinenvereins Treis dem Hessischen Zupforchester an. Dieses erfreuliche Engagement hatte auch sehr positive Folgen für die Arbeit des Treiser Orchesters.
Im Jahre 1977 verpflichtete der Mandolinenverein Treis Andreas Ortwein als Dirigenten. Er begleitete dieses Amt bis einschließlich 1993. Wohl kein Dirigent vor ihm hat das Mandolinenorchester Treis so geprägt wie er. Sein Betätigungsfeld beschränkte sich nicht nur auf das Dirigieren. Andreas Ortwein arrangierte zahlreiche Musikstücke für Zupforchester und komponierte auch eigene Stücke: 1981 „Ragtime 1“ für Mandolinenorchester, weitere 3 Ragtimes folgten. Schon ein Jahr nach seinem Amtsantritt erreichte das Treiser Orchester, zu diesem Zeitpunkt überregional noch unbekannt, den 1. Preis bei einem Wertungsspiel in Sulzbach/Ts. Auftritte bei Landesmusikfesten in Grünberg, Langen, Darmstadt, Wiesbaden und Lieblos vergrößerten den Bekanntheitsgrad des Orchesters.
Seit 1977 veranstaltet der Mandolinenverein Treis in der Vorweihnachtszeit sein Orchester- und Chorkonzert in der Sport- und Kulturhalle Treis, bei dem neben Instrumentalsolisten die Sängervereinigung Treis und der Evangelische Kirchenchor Treis als Gastvereine mitwirken.
Neben den vereinsinternen Veranstaltungen, wie Wanderungen, Sommernachts- und Grillfesten sowie Tagesfahrten, hatte das Orchester eine Anzahl von öffentlichen Auftritten, von denen nachstehend einige aufgeführt sind:
Ein weiterer Höhepunkt in der Vereinsgeschichte war die 1983 produzierte Schallplatte, die in Fachkreisen eine sehr gute Kritik erhielt.
Am 29.09.1985 feierte der Mandolinenverein Treis mit den örtlichen Vereinen in der Sport- und Kulturhalle Treis sein 60jähriges Vereinsbestehen.
Während des Orchester- und Chorkonzertes am 05.12.1993 gab Andreas Ortwein, nach 16 erfolgreichen Jahren beim Mandolinenorchester Treis, den Dirigentenstab an Thomas Schäfer weiter.
Thomas Schäfer war kein Unbekannter, da er schon längere Zeit als Gitarrist aktiv im Orchester mitwirkte. Neben dem Mandolinenorchester Treis leitete er das Mandolinenorchester Neapolita Gießen. Dies führte dazu, dass sich die beiden Orchester aus Gießen und Treis näher kamen und auch teilweise gemeinsam bei Konzerten auftraten.
In der Vereinsführung gab es Veränderungen: Der Vorstand wurde verjüngt. Der langjährige 1. Vorsitzende Erich Klein wurde zum Ehrenvorsitzenden und Susanne Kriep ab 1999 zur 1. Vorsitzenden gewählt.
Anlässlich einer Operettengala im Stadttheater Gießen (02.07.2000) begleitete das Mandolinenorchester Treis den weltbekannten Tenor Rene Kollo zum Wolgalied aus der Operette Zarewitsch – ein besonderes Erlebnis für die Zupfmusiker.
Am 16.09.2000 feierte der Mandolinenverein Treis in der Sport- und Kulturhalle Treis sein 75jähriges Vereinsjubiläum. Die Schirmherrschaft hatte der in Treis lebende Regierungspräsident Wilfried Schmied übernommen. Das abendliche Programm wurde neben dem Orchester von der Sängervereinigung 1865 Treis, dem evangelischen Kirchenchor Treis und dem Tanzkreis des Turn- und Sportvereins Treis mitgestaltet.
Bei einem Vorspiel des Mandolinenorchesters Treis in der Treiser Grundschule 2001 konnten mehrere Kinder für die Zupfmusik begeistert und an den Instrumenten Mandoline und Gitarre ausgebildet werden. Neben dem Einzelunterricht wurde auch das Zusammenspiel geprobt. Auf diese Weise entstand ein Jugendorchester, das von 2005 bis 2009 mit bis zu 18 Spielern bei dem jährlichen Orchester- und Chorkonzert unter der Leitung von Erich Klein einen festen Programmpunkt bildete.
Am Jahresende 2001 gab Thomas Schäfer seine Dirigententätigkeit aus beruflichen Gründen in Gießen und Treis auf. Die beiden Orchester Neapolita Gießen und das Mandolinenorchester Treis bildeten daraufhin im Februar 2002 eine Orchestergemeinschaft und verpflichteten Keith David Harris als Dirigent.
Keith David Harris kam in den 70er Jahren von Australien nach Deutschland. Als Berufsmusiker war er als Lehrbeauftragter der Mandoline an der Musikschule Mannheim-Heidelberg tätig. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit war die Aus- und Weiterbildung von Laienmusikern in Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Zupfmusiker. Die Orchestergemeinschaft Gießen-Treis hat von seiner Musikalität und seinem Fachwissen profitiert.
Im Hessischen Rundfunk war das Orchester am 02.06.2003 in der Sendung „Gute Servus und Hallo“ zu Gast. Neben den Auftritten bei der Landesgartenschau Hanau, den Hessentagen in Weilburg, Langenselbold und Wetzlar, den Kurkonzerten in Bad Endbach und Bad Salzhausen sowie beim jährlichen Musikalischen Sommer auf dem Schiffenberg, hatte das Orchester ca. 80 weitere öffentliche musikalische Auftritte unter Keith David Harris. Am 30.04.2011 wurde Keith David Harris nach einer fast 10-jährigen, soliden, harmonischen Dirigententätigkeit verabschiedet.
Im Zuge der kleinen Verabschiedungsfeier (unter Teilnahme der Presse) löste sich das 1921 gegründete Mandolinenorchester Neapolita Gießen nach 90 erfolgreichen Jahren auf.
Im Mai 2011 übernimmt Andreas Gerhard die musikalische Leitung des Orchesters. Die Zupfmusik ist ihm über sein Heimatorchester in Nauborn, seine Ausbildung in der Musikschule Wetzlar und später durch seine Aktivität im Jugendzupforchester Hessen (JZOH) bestens bekannt. Unmittelbar nach seinem Antritt beim Mandolinenverein Treis absolvierte er erfolgreich die ersten musikalischen Auftritte u.a. bei einem Sommerfest des Seniorenzentrums in Lich. Am 3. Juni 2012 folgte ein Auftritt auf dem Hessentag in Wetzlar unter der abwechselnden Stabführung von Martina und Andreas Gerhard. Hierbei wurde die Gemeinschaft "Mittelhessenorchester" bestehend aus den Mandolinenorchestern Blasbach, Nauborn und Treis gebildet. Weitere gemeinsame musikalische Auftritte fanden statt.
Am 12. Oktober 2014 feierte der Mandolinenverein Nauborn sein 90jähriges Bestehen, zu dem wir wieder im Rahmen der Orchestergemeinschaft beitrugen.
Der Mandolinenverein Treis beging am 15. März 2015 sein 90jähriges Vereinsjubiläum in der an diesem Tag sehr gut besuchten Sport- und Kulturhalle Treis. Dazu unterstützten uns musikalisch u.a. die beiden ortsansässigen Chöre sowie das Zupforchester Nauborn mit großem Erfolg.
Zusammenfassend muss man feststellen, dass sich der Mandolinenverein seit seiner Gründung kontinuierlich weiterentwickelt hat. Die hervorragende Arbeit der Dirigenten und die Bereitschaft der Orchestermitglieder, sich musikalisch weiterzubilden, waren ausschlaggebend für die positive Entwicklung.
Es ist das erklärte Ziel des Mandolinenvereins Treis, der Zupfmusik zu dem Stellenwert zu verhelfen, den sie im Rahmen der kultur- und musiktreibenden Vereine verdient.
Für die Zukunft wünschen sich die Orchestermitglieder weiterhin Erfolg und Freude am Musizieren. Ferner sind sie bestrebt, dem Publikum den eigenen und reizvollen Charakter der Zupfmusik nahe zu bringen.
Von der vielseitigen Literatur, die zu diesem Zwecke zur Verfügung steht, sind einige Themenbereiche zu nennen:
Ein weiteres Ziel ist die Ausbildung junger Nachwuchsspieler. Der Mandolinenverein Treis möchte Kinder, Jugendliche und Eltern, die sich für die Zupfmusik interessieren, auffordern, sich mit Orchestermitgliedern in Verbindung zu setzen. Wir bieten eine gute und umfassende Gitarren- oder Mandolinenausbildung an und sind auch bei der Beschaffung von Instrumenten gerne behilflich.
Erich Klein
(Ehrenvorsitzender)
Treis im März 2015
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